open call für perspektive 110/111 (sommer 2022)

einsendungen zum thema oder auch frei bis 03.04.2022 an office@perspektive.at

: ausgangsstellung thema “thema warum”

innen autonomien, aussen der markt : in sachen literatur bemerken nicht nur wir ein bewusstes etablieren nebenkanonischen schreibens als beruf. selbststeuerung – gewesener kern künstlerischer identität – wechselt zu notwendiger marktorientierung mit differenz als ersatzangebot, wobei was markt ist sich in geschützten gebieten strukturell reformuliert : der nebenkanon avancierten schreibens etwa setzt auf formale abweichung als förderargument, liefert sich produkt um produkt als nachweis weiter ermöglichter relativer freiheit der kunst – ein geschäft auf gegenseitigkeit, das zwischen förderinstitutionen und von ihnen geförderten die teilhabende mischberufung ermöglicht : mal kreativ sich bewerben, mal als juror:in bewerbungen sichten, mal als lehrende beibringen und zu teilnahme am nebenkanon verhelfen, mal isolierte einzelne von nachrückenden schreibenden zu ikonen erheben lassen, mit haus- & archivleiter:innen im werbewirksamen verbund; kurz netzwerkelei auf kontrollierter flamme, freunderlwirtschaft fürs dabeibleibenkönnen. die ergänzungen schliessen im ergebnis mehr aus als ein, die namen mehren sich mählich, die möglichkeiten schwinden rapid.

dass von spätkapitalen betriebswirten inzwischen weitere optimierung implantiert wird und mit der forderung nach errechenbarkeit zu simulierender betrieblicher erfolge so gleichschaltung von kunst und kapital eine subventionierungssituation entstehen lässt, in der aus autonomiebegleitung schlichte hinführung zu betriebskompatibilität wird, geschieht auch infolge bereitwilligen sichintegrierenlassens ins berufsbild der märkte. abglanz historischer moderne wird dabei im kulturkanon geborgen, stolz aufs jeweilige kulturhaupt wird ökonomisch unterfüttert. ein dem betrieb beigestellter nebenbetrieb vollendet dabei den markt an sich, simuliert autonomie als nische, sich geschützt marktfern geben zu können. hauptsache zahlen die zunehmend & kreativkräfte die mit sich beschäftigt sind.

auf märkten zählt wiedererkennbarkeit und vergleich zwischen konkurrierenden anbieter:innen. die suchmaschinen grenzen ein, richten aus, denn wer ein produkt sucht, muss es an einem der stände schnell finden können. märkte orientieren sich am publikum, justieren zahl und stellung der produzent:innen. in gentrifizierten stadtvierteln beispielweise finden sich andere waren als am zonenrand der armut. zu befriedigen sind andere bedürfnisse dort, zu bedienen sind differente interessen hier. am gentrifizierten markt sich platzieren bringt sozialethische distinktion : wie sich von anderen anbieterinnen worin unterscheiden, wie sich ergänzen, welche im diskurs etablierten bedürfnisse unterstreichen oder neu wecken; mit welchem portfolio lukrativ genug sein, den aktuellen erwartungen anspruchsvoller kundschaft genügen zu können. die begleitende subventionierung des nebenmarktes erlaubt, sich hier mit zusatznutzen anbieten zu können : die produkte repräsentieren dann je als korrekt definierten umgang mit werten, die noch nicht markttechnisch verifizierbar sind – allerdings nur mit jenen, die spätere marktintegration versprechen.

was literatur betrifft, kommt so das erwähnte konstruktionsmoment hinzu : der markt für avanciertes schreiben versammelt produzent:innen die ihre konsument:innen sind, sich zugleich gegenseitige produktempfehlungen verfassen und beispielsweise als lehrende für schreibende tätig sind. manche bergen sich in beschäftigung als literaturhistoriker:innen, akademisch gewesenes oder sich selbst mässig kritisch begleitend. manche unterrichten neue produzent:innen im beachten der von ihnen selbst beachteten regeln oder fügen dem bewusstsein ein verständnis des am markt notwendigen neuen hinzu : als einem am puls der zeit scheinenden anderen das sich unterscheidet vom schon abgespielten anderen der vorjahrzehntproduktion. orientierung auf frühere jahrhunderte distinguiert das neueste dann im hattrick : eingebrachte unterscheidung von den unterscheidungen der älteren produzent:innen wird gekoppelt an ein vorzeitliches, das marktorientierung in hinwendung zu eternalität nicht allein für den modischen moment zu überwinden, sondern zu beseitigen sucht : als vorläufigen – somit falschen – zwischenton eines überzeitlich wesentlichen. an diesem ende des marktes wird die erwartung marktfremden dichtens als mär vertrieben; am anderen ende versammeln sich die übriggebliebenen : jene, die nicht ins hohe reichen, vertreiben sich zeit und sinkenden kontostand mit zuhandenen temporären mitteln. zu denen gehört, sich themen zu setzen.

: aufgabenstellung thema “thema warum” :

auch perspektive hat bereits mit diversen themen operiert : schach, code:text, übersetzen, street:speech letzthin. die themen entsprachen jeweiligen interessen der herausgeber:innen : mal suchten wir rudimente von avantgarde aufm digitalen feld, mal motivierten offene fragen nach transition versus transkription den call zum übersetzen. auch für uns als herausgebende gilt : ein thema dient nicht den leser:innen. es liefert ein argument produzent:innenvermittelnder verlage und periodika z.b. gegenüber fördernden stellen, sich um derzeit wohl wichtiges oder überraschend unzeitgemässes zu kümmern. das thema ist damit auch struktureller ort der kontrolle über kulturelles geschehen durch die forderung einer frühzeitigen festlegung und bekanntgabe von thematisch gegliederten programmen.

schreibende, die ihre eigenen leser:innen sind, beliefern sich mit motti, unter denen weiter zu schreiben sein wird. der selbstlauf des schreibens braucht bei regelmässig den markt beliefernden schreibenden einen anstoss durch themen, eine kanalisierung knapp am drohenden leerlauf des weiterschreibens vorbei. themen ermöglichen, eingeübte verfahren der produzent:innen auf ein weiteres thema hin zu orientieren. das thema ermöglicht so, produkte wie ‘anthologie’ oder ‘sonderperiodikum’ oder ‘symposium’ am markt zu situieren, als auch differierende ästhetiken und produktionsweisen mit den gestellten themen zu präsentieren – oder an andere kulturinstitutionen für repräsentative zwecke anzudocken: die um themen gruppierten produzent:innen begegnen sich von thema zu thema in eigenen erwartungsräumen; dort erkennen sie sich wieder und erproben ihre marktgängigkeit erneut, definieren auf diese weise eigene position im binnenbetrieb.

leser:innen können – nach entsprechendem eingestimmtsein an den tagesaktuellen rändern der auf periodisches vermarkten zielenden betriebe – die vorformulierten interessen abgleichen mit eigenen suchen, zum beispiel denen nach sinn. der bleibt im vom markt als markt prädefinierten schon gebunden an den markt selbst fundierende sichten. warum also thema als thema? um den textproduzent:innen die frage zu stellen, was ihnen arbeit an themen, arbeit mit themen oder arbeit als thema selbst sonst noch sind. wie sie sich definieren zwischen themenstellungen, die nicht von ungefähr als ‘stellungen’ gegeben sind – zwischen stellung im sozialen raum, militärischer stellung und allgemeiner anordnung in bezug auf subsysteme. die überprüfung der eignung zum ausüben des wehrdienstes wird in österreich mit stellung bezeichnet. zu fragen wäre, ob eignung zur marktteilnahme mit dem stellen oder bestelltwerden von themenbeiträgen in vergleichbarer verbindung steht : wer thematisiert, wer wird bestellt, wer stellt fest, was relevante themen sind : gibt es ein sichausserhalbstellen, themen betreffend : hat, sich bestimmten themen nicht zu stellen oder themen als solche infrage zu stellen, mehr mit ausserdienststellung oder mangelnder marktrelevanz zu tun? tragen wir uns mit fragen ans thema als thema in den betrieb ein oder aus ihm heraus – oder genauer, können fragen ans thema als thema inkludieren oder sind sie nur unwesentlich, weil abgehoben vom gang des marktes, dessen denkbedingungen in seinem allmählichen zerbrechen unersetzbar scheinen?

inhaltliche rückfragen zum thema „thema warum“ an: outofarea@perspektive.at